INTERVIEW ZUM EHRENAMT

Was versteht man eigentlich unter ambulanter Sterbebegleitung? Was lernt ein Ehrenamtlicher bei Bonn Lighthouse? Diese und ähnlich wichtige Fragen beantwortet der vertretende Geschäftsführer Jürgen Goldmann.

1. Wie sind Sie zu Bonn Lighthouse gekommen?

Im Frühjahr1994 bin ich während einer Fortbildung für Multiplikatoren im Hospizbereich von einer für Bonn Lighthouse arbeitenden Psychologin angesprochen worden. Bonn Lighthouse sucht für ein Wohnprojekt für schwerkranke und sterbende Menschen mit dem Schwerpunkt HIV und AIDS noch ein Sozialarbeiter/-pädagoge für eine halbe Stelle. Dieses Projekt, welches in Kürze eröffnet werden sollte, fand ich sehr spannend und so habe ich mich sofort auf diese Stelle beworben. Nach zwei Vorstellungsgesprächen gab der Vorstand grünes Licht. Nach anfänglichem Honorarvertrag erhielt ich im Februar 1995 kurz vor der Eröffnung des Betreuten Wohnens einen Festvertrag. Tja, so war das damals. Ich bin immer noch hier und die Arbeit stellt für mich immer noch eine positive Herausforderung dar!

2. Warum ist diese Arbeit so interessant?

Mein Zuständigkeitsbereich im Lighthouse ist sehr vielseitig und abwechslungsreich. Neben der Koordination der Patienten- und Angehörigenbegleitung auf Station Wunderlich und des Ambulanten Hospizdienstes, ist ein weiteres Hauptaufgabengebiet von mir die Gewinnung, Befähigung, Begleitung und Fortbildung von ehrenamtlichen MitarbeiterInnen. Ich habe also mit sehr vielen und unterschiedlichen Menschen zu tun. Alle ein bis zwei Jahre nehmen nach Absolvierung unseres Befähigungskurses immer wieder neue MitarbeiterInnen die ehrenamtliche Begleitung auf. Man kann sagen: das einzig Beständige im Lighthouse-Universum ist die Bewegung. Langeweile hatte ich in all den nun fast schon 13 Jahren tatsächlich nie erlebt. Dies ist zwar gelegentlich sehr anstrengend, aber wie gesagt, auch eine ständige Herausforderung. Des Weiteren gehört zu meinem Job auch Öffentlichkeits- und Gremienarbeit, um die Ziele von Bonn Lighthouse und von Hospizarbeit in der Bevölkerung sowie auf politischer Ebene bekannt zu machen und diesen entsprechendes Gewicht zu verschaffen.

3. Ist der ständige Kontakt mit schwer kranken und sterbenden Menschen nicht sehr belastend?

Eine klare Antwort: Jein! Keine Begleitung ist wie eine andere. So viele Menschen es auf unserer Erde gibt, so viele unterschiedliche Arten des Sterbens gibt es auch. Im Laufe der Jahre bin ich im Einzelfall mit tragischen Schicksalen konfrontiert worden, die mir sehr nahe und unter die Haut gingen. So schwer es manchmal ist, schwierige Situationen auszuhalten, umso schöner ist es nach Beendigung einer solchen Begleitung, festzustellen, Alles getan zu haben, um der betreffenden Person ein Sterben in Würde zu ermöglichen. Für mich gibt es kaum einen größeren Sinn einer Arbeit als in diesem Berufsfeld. Um den Belastungen der Hospizarbeit standzuhalten, bedarf es zusätzlich eines guten Teams und einer guten Zusammenarbeit aller Vereinsebenen, d.h. Vorstand, Geschäftsführung, Haupt- und EhrenamtlerInnen. Bis auf wenige Ausnahmen war dies in all den Jahren gegeben. Auch gegenwärtig haben wir wieder ein ausgesprochen gutes Arbeitsklima, welches nach meiner Wahrnehmung bei den einzelnen MitarbeiterInnen dazu beiträgt, die gelegentliche Schwere in der Hospizarbeit zu tragen. Eine wesentliche Grenze in der Sterbe- und Trauerbegleitung ist die eigene Betroffenheit. Wenn also durch einen Trauerfall oder Verlust z.B. im privaten Umfeld eine akute persönliche Belastung besteht, ist eine Begleitungsarbeit im hospizlichen Kontext definitiv nicht leistbar. Dies kann für die Kontinuität, insbesondere der hauptamtlichen Arbeit, ein Problem darstellen.

4. Was ist eigentlich der Ambulante Hospizdienst (AHD), so wie Bonn Lighthouse ihn anbietet?

Entgegen der für den Hospizbereich eher eigenen Lighthouse-Konzepte im Wohnprojekt und der Klinikbegleitung, arbeitet der AHD sehr klassisch. D.h., wir begleiten sterbende Menschen während ihrer letzten Lebensphase in ihrem häuslichen Umfeld. Oftmals stehen dabei auch Angehörige und Freunde im Focus unserer Arbeit. Diese Menschen sind häufig absolut überlastet und bedürfen eines unterstützendes Gespräches und nicht selten derselben Intensität an Zuwendung und Aufmerksamkeit wie der sterbende Mensch.

5. Was kostet der Ambulante Hospizdienst für Bonner Normalbürger?

Sämtliche Leistungen des Ambulanten Dienstes, also sozialrechtliche und Palliatv Care-Beratung sowie Sterbe- und Trauerbegleitung, sind für alle Bürgerinnen und Bürger absolut kostenlos.

6. Wie sieht die Arbeit eines Ehrenamtlichen im Ambulanten Hospizdienst aus?

Ehrenamtliche MitarbeiterInnen leisten zumeist Sitzwachen am Bett des sterbenden Patienten. Sie unterstützen vielfach die Patienten in ihrem Sterbeprozess. Dies geschieht entweder durch Gespräche, durch Biografiearbeit, durch Spaziergänge oder, wie wir in der Hospizarbeit sagen, durch einfaches „Da-Sein“. Gleichzeitig sind ehrenamtliche BegleiterInnen nicht selten auch wichtige Ansprech- partner für die Angehörigen und/oder entlasten pflegende Personen durch ihre Anwesenheit am Krankenbett. Dadurch können die Angehörigen z.B. Einkäufe oder Behördengänge erledigen oder einfach mal eine Auszeit von der kräftezehrenden Versorgung ihrer Patienten nehmen. Durch die Anwesenheit des AHD konnte in vielen Fällen das Verbleiben eines sterbenden Menschen im eigenen zu Hause gewährleistet werden.

7. Kann jeder mitmachen und welche Qualifikation sollte man mitbringen? (Wie viele Stunden sollte man investieren?)

Eine Voraussetzung, um im AHD ehrenamtlich arbeiten zu können, ist die Absolvierung eines Befähigungskurses. Das gleich gilt natürlich auch für die Einsätze im Wohnprojekt und in der Universitätsklinik. Die Begleitungen im AHD sind zwar in der Regel deutlich kürzer als z.B. im Wohnprojekt von Bonn Lighthouse, aber dafür sehr (zeit)intensiv. In der Endphase eines Sterbeprozesses kann durchaus eine tägliche Präsenz unserer BegleiterInnen notwendig sein. Da dies eine Person kaum leisten kann, arbeiten wir schon mal in Teams von 2-3 MitarbeiterInnen. Für einen derartigen Einsatz sollte eine Ehrenamt- lerIn schon 2-3mal pro Woche zur Verfügung stehen können. Kontinuität und Zuverlässigkeit sind in solchen existentiell bedrohlichen Situationen Voraussetzung für eine tragende Begleitung von sterbenden Menschen und ihren Angehörigen.

8. Sie bieten eine Schulung für Ehrenamtliche an. Wie sieht diese konkret aus?

Abhängig von der Anzahl der aktiven ehrenamtlichen HelferInnen, bietet Bonn Lighthouse nach Bedarf einen sog. Befähigungskurs an. Dies geschieht durchschnittlich alle ein bis zwei Jahre. Der Kurs dauert ca. 6 Monate und deutlich über 100 UStd. Der nächste beginnt übrigens im Oktober 2007. Da die Begegnung mit kranken, trauernden und sterbenden Menschen immer auch die Begegnung mit der eigenen Vergänglichkeit bedeutet, steht zunächst immer ein Wochenende mit Selbsterfahrung an. Hier geht es darum, die eigenen Erfahrung und die eigenen Strategien im Umgang mit Sterben, Tod und Trauer anzuschauen und sich diesen bewusst zu werden. Dies ist für eine spätere Begleitungsarbeit unumgänglich. Daran anschließend gibt es Themenblöcke wie Sterbe- und Trauerbegleitung, Ethik, Kommunikation und Wahrnehmung, Palliativ Care, Krankheitsbilder, Lebenswelten, Grundlage der ehrenamtlichen Arbeit bei Bonn Lighthouse, Austausch mit Vorstand, Geschäftsführung sowie mit ehren- und hauptamtlichen MitarbeiterInnen etc. Nach der Hälfte des Kurses besteht außerdem die Möglichkeit des Kennenlernens der Praxis durch Hospitation in der Küche des Wohnprojektes und auf Station Wunderlich. Das Feedback von den TeilnehmerInnen für diesen Kurs ist seit Jahren sehr positiv und wird von der überwiegenden Mehrheit als solide Grundlage für ihre spätere Begleitungstätigkeit erfahren.

9. Wie sieht das aktuelle Team der Ehrenamtlichen aus?

Anfang 2007 waren 35 ehrenamtliche MitarbeiterInnen für Bonn Lighthouse engagiert. 29 Frauen und 6 Männer sind in der Begleitung oder der Öffentlichkeitsarbeit für den Verein tätig. Sie kommen aus sehr unterschiedlichen Berufen und mit unterschiedlichem sozialem Hintergrund. Das Durchschnittsalter beträgt 48 Jahre, was für diesen Arbeitsbereich einen recht jungen Schnitt bedeutet. Wir haben wirklich ein sehr weltoffenes und buntes EhrenamtlerInnen-Team, was für die Lighthouse-Arbeit sehr bereichernd ist. Im Jahr 2006 wurden übrigens ca. 2300 Stunden von den ehrenamtlichen MitstreiterInnen geleistet, was ungefähr einem Stellenumfang von 1,5 entspricht. Ich finde das jedes Jahr immer wieder enorm, was im Bonner Lighthouse an bürgerschaftlichem Engagement stattfindet. Eine Arbeit ohne Ehrenamtliche wäre ein deutlicher Qualitätsverlust für Bonn Lighthouse. Sie ist in unserem Kontext unverzichtbar.

10. Wie erhalte ich Informationen über die Lighthouse-Arbeit?

Da gibt es mehrere Möglichkeiten. Wir haben eine schöne neue und übersichtlich gestaltete Homepage, wo die Begleitungsarbeit von Bonn Lighthouse ausführlich beschrieben ist. Außerdem sind dort die diversen Formen der Unterstützung für den Verein, wie Mitgliedschaft, Sponsoring oder ehrenamtliche Mitarbeit, beschrieben. Dort sind natürlich auch alle wichtigen Kontaktdaten (Telefon, Mailadressen) der einzelnen MitarbeiterInnen zu finden. Eine direkte Anfrage per Mail ist von der Homepage aus durchzuführen. Ansonsten kann man über die Telefonnummer 0228-631304 direkt persönlichen Kontakt mit unserer Geschäftsstelle aufnehmen und ggf. einen zeitnahen Termin für ein Informations- oder Beratungsgespräch ausmachen. Auch Informationsmaterial versenden wir an Interessierte. Des Weiteren bieten wir Vorträge oder Fortbildungen zu hospizlichen Themen oder zum Thema HIV und AIDS an. Sie sehen, das Angebot von Bonn Lighthouse ist sehr komplex. Daher macht ein ausführliches Gespräch in Ruhe bei einer Tasse Kaffee oder Tee sehr viel Sinn. Und dafür stehen wir bei Informationsbedarf den Bürgerinnen und Bürgern sehr gerne zur Verfügung.


Jürgen Goldmann, vertretender Geschäftsführer Bonn Lighthouse