WIR WAREN WIE EINE FAMILIE - TAUFFEIER VON CARMEN

Bei Bonn Lighthouse fand am 17. Februar 2009 ein wunderbares Ereignis statt: die Tauffeier von Carmen, der Enkeltochter einer unserer Bewohnerinnen. In einem liebevoll gestalteten Rahmen wurde die Taufzeremonie vom katholischen Diakon Lux in den Räumlichkeiten unserer Geschäftstelle durchgeführt. Drei ehrenamtliche MitarbeiterInnen beschreiben wahrlich „magische“ Momente. Jürgen Goldmann

 

Jutta Frings: Da kam ich also in letzter Sekunde und leicht abgehetzt in der Bornheimer Strasse an, sah von draußen schon, dass alles hell erleuchtet war und warf, drinnen angekommen, hektisch meine Jacke auf die überfüllten Garderobenhaken. Ich war zur Tauffeier von Carmen eingeladen, einer Tauffeier, die nun im Lighthouse stattfinden sollte – so, wie es sich die Bewohnerin Anneliese, die Großmutter von Carmen, gewünscht hatte. Großmutter, eine für mich ein bisschen irritierende Bezeichnung, da Anneliese nur wenig älter ist als ich. Und eine katholische Taufe – auch das für mich, die ich längst aus der Kirche ausgetreten bin, etwas leicht Befremdliches. Aber ich habe mich über die Einladung sehr gefreut und bin, wie alle anderen Ehrenamtler und Bewohner, gekommen, um mit der kleinen Familie zu feiern. Ich stolpere also als letzter Gast hektisch durch die Tür, und da sitzt direkt vor mir Anneliese mit der kleinen Carmen auf dem Schoß und strahlt. Sie strahlt und strahlt, während die Eltern von Carmen ein bisschen verlegen neben ihr sitzen, verlegen wegen der ganzen Leute, der Aufregung, der festlichen Atmosphäre. Günther und Tessy haben sich richtig ins Zeug gelegt, es gibt eine liebevoll dekorierte U-förmige Festtafel mit Silberleuchtern, Kaffee und Kuchen. Mitten drin sitzt die strahlende Anneliese und sieht aus, als bestünde sie aus purem Lebensglück. Und da wird mir schlagartig bewusst, warum ich hier bin, und ich schäme mich meiner Alltagshektik und setze mich still in eine Ecke. Auch die anderen setzen sich rund um Anneliese und Carmen, ihre Eltern und die Taufpaten, und dann beginnen der Diakon und seine Assistentin mit der Taufzeremonie. Die beiden empfinden die Situation sichtlich auch als etwas Besonderes, sind sehr nett und wohl auch ein bisschen beeindruckt von unserer Runde. Zu unserer großen Erleichterung geht der Diakon nicht von allgemeiner Textsicherheit aus, sondern singt die Kirchenlieder zuerst vor, bevor wir sie nachsingen.

Carmen ist völlig begeistert von dem Diakon mit der merkwürdigen Kleidung, der vor ihr steht und offensichtlich extra für sie singt. Als dann alle mitsingen – oder, wie ich, erkältet krächzen -, gerät sie richtiggehend in Verzückung und hopst völlig euphorisch auf Annelieses Schoss auf und ab. Neben Tessys erprobtem Sopran ist eine Stimme klar und deutlich aus unserem vielstimmigen Gesang herauszuhören: Frau K., mit über 80 Jahren die älteste Bewohnerin, singt mit all den anderen, aber ein wenig besser als die meisten! Anneliese leuchtet von innen. Wer von uns möchte, darf Carmen nun ein Kreuz auf die Stirn machen oder ihr einfach alles Gute wünschen. Spätestens hier sind alle bewegt. Für jeden von uns bedeutet es etwas anderes, ein Kind auf seinem Weg ins Leben zu beglückwünschen, aber hier, in diesem Raum, sind sich viele von uns ganz besonders bewusst, wie nah Tod und Sterben sind. Und dieses kleine Kind strahlt uns alle nacheinander an, ganz am Anfang seines Lebens, begeistert, verletzlich, aber ohne irgendwelche Ängste. Mein Blick fällt auf die Taufpaten, ich sehe Tränen, auch in anderen Gesichtern, und ahne nur, was in diesen Menschen vorgehen mag.

Ja, und dann löste sich die Taufzeremonie auf in eine fröhliche Kaffeetafel, und inmitten unserem Lärm und Gelächter schlief Carmen still und fest.

 

Günther Feldkeller: Für mich war die Taufe von Carmen im Lighthouse der absolute Höhepunkt. Sonst erleben wir in den Räumlichkeiten immer nur Trauerfeiern, aber diesmal feierten wir den Beginn eines Lebens. Ein kleiner Tisch mit einer blauen Decke war als Taufbecken hergerichtet, welch erfreulicher Anblick! Durch die Hilfe von EhrenamtlerInnen war der Raum in ein feierliches Ambiente versetzt worden und strahlte Wärme und Geborgenheit aus. Für alle, die da waren, brachte die Feier ein Gemeinschaftsgefühl: Wir waren wie eine Familie. An den Gesichtern der BewohnerInnen erkannte ich die Zufriedenheit und Entspannung von den Alltagssorgen. Mit wenig Aufwand und viel Einfühlungsvermögen hat das Lighthouse den BewohnerInnen und EhrenamtlerInnen ein gegenseitiges Gefühl vermittelt, welches unbeschreiblich ist. Dieses Gefühl ist das Lighthouse: ein Geben und Nehmen. Für Anneliese wird es bestimmt ein unvergessener Tag gewesen sein, denn für Sie hat sich ein Wunsch erfüllt, die feierliche Taufe ihrer kleinen Enkeltochter.

 

Tessy Fischer-Riou: Wo die Urnen immer wieder stehen, stand das Taufbecken. Es berührte uns Alle: Mitbewohner und EhrenamtlerInnen. Wir saßen um Anneliese, die kleine Carmen und ihre Eltern, hörten die herzlichen Worte des Diakons über das Leben und über das Sterben. Wie nah diese Grenzen sich berühren und in diesem Bewusstsein freuten wir uns um so mehr über das Lächeln von Anneliese und mit ihr. Wir haben alle mitgesungen. Der Bewohner in seiner Eigenschaft als Taufpate war sichtlich berührt. Auch die andere Bewohnerin, die als Taufpatin zur Verfügung stand, lächelte herzlich. Es war schön und gut, diese Nähe in der Freude -nicht wie oft sonst im Lighthouse in der Trauer- zu spüren. Vivaldis „4 Jahreszeiten“ haben den Kaffeetisch mit Schwung und Elan belebt. Der Kuchen war wieder mal lecker, der Kaffee schmeckte... Das Leben ging wieder weiter mit einer besonderen, rührenden und schönen Erinnerung dazu...!


Viele Bilder von Carmens Tauffeier gibt es hier