15 JAHRE WOHNPROJEKT — VOM MODELLPROJEKT ZUR REGELVERSORGUNG

von Christiane Ohl

Als am 3. April 1995 das Betreute Wohnen von Bonn Lighthouse e.V. mit dem Einzug der ersten Bewohner seine Arbeit aufnahm, glaubten viele eher an ein Experiment als an ein langfristig angelegtes Projekt. Zu Beginn als „Modellprojekt“ hoch gelobt – und zunächst in keine Regelfinanzierung passend – musste sich erst einmal zeigen, ob sich das Konzept als tragfähig erweisen würde: Ließen sich die Kosten langfristig refinanzieren? Wie würden die Betroffenen es annehmen? Und wie würde sich der Bedarf entwickeln?

Bonn Lighthouse: Das Wohnprojekt 1995

 

15 Jahre haben diese Fragen zumindest teilweise beantwortet. Das ambulante Konzept der individuellen, psychosozialen Beratung, Begleitung und Betreuung verbunden mit einer zentralen Wohnraumstellung, hat sich besonders für unsere Zielgruppe bewährt. Dem in den letzten 10 Jahren immer stärker ins Bewusstsein gerückten Aspekt der Selbstbestimmung und Patienten-Autonomie, der gerade durch die Gruppe der von HIV/AIDS-Betroffenen vorangetrieben wurde, wird in dieser Versorgungsform weit mehr Rechnung getragen, als es in einer stationären Einrichtung möglich wäre. Und der im Sozialgesetzbuch verankerte Grundsatz „Ambulant vor stationär“ gewinnt auch durch den ständig steigenden Kostendruck auf die Leistungsträger zunehmend an Bedeutung. Solche Modelle des „Wohnens mit Serviceangebot“ werden inzwischen in allen Bereichen des Gesundheits- und Sozialwesens mit entsprechenden Varianten konzipiert.

Bonn Lighthouse: Das Wohnprojekt 2010

 

Nicht nur die äußeren Rahmenbedingungen haben sich in dieser Zeit verändert. Ein Beispiel ist die Situation der von HIV betroffenen Menschen. Der enorme medizinische Fortschritt und der damit verbundene Zuwachs an Therapieoptionen haben die im Kontext mit der HIV-Infektion auftretenden Krankheitsbilder und Verläufe drastisch beeinflusst und die Lebenserwartung erheblich gesteigert. Ähnliches gilt für andere Infektions-, aber auch für Tumor-Erkrankungen. Daneben ist in den letzten Jahren immer häufiger ein erheblicher Mangel an Alltagskompetenz bei den Betroffenen zu verzeichnen. Daraus ergeben sich für die Einrichtung häufig längere Begleitungszeiten mit komplett veränderten Schwerpunkten und überaus vielfältigen Begleitungsstrategien.

Medizinischer Fortschritt und verbesserte Therapien, aber auch wachsender Kostendruck und sich verändernde Wünsche und Ansprüche der Betroffenen machen eine ständige Neuorientierung am tatsächlichen Bedarf unumgänglich. Der Spagat zwischen einer bezahlbaren und gleichzeitig humanen sowie qualitativ hochwertigen Versorgung, die den heutigen medizintechnischen Möglichkeiten entspricht, bei einer immer weiter steigenden Anzahl kranker und pflegebedürftiger Menschen fordert individuelle und flexible Lösungsansätze. Die Entscheidung vor 15 Jahren für diese Konzeption hat sich auf diesem Hintergrund als richtig erwiesen.

Seit Beginn des Wohnprojekts wurden 73 Bewohnerinnen und Bewohner (18 Frauen und 55 Männer) mit einem Durchschnittsalter von 48 Jahren psychosozial beraten, begleitet und betreut. Mehr als jeder Zweite war von HIV betroffen (56 %), fast jeder Fünfte litt an einer Krebserkrankung. 36 Personen sind inzwischen verstorben. Die Menschen lebten und leben in der Regel knapp 3 Jahre in der Bornheimer Straße.