15 JAHRE BETREUTES WOHNEN BEI BONN LIGHTHOUSE — LEBEN MIT HIV

Ein Gespräch mt Anne

„Hospiz – da dachte ich zuerst an Endstation, aber jetzt bin ich schon neun Jahre hier – und will auch noch ein bisschen bleiben!“, sagt Anne, 56, mit entschlossenem Blick und streichelt ihren Kater. Ihre Diagnose vor vielen Jahren: HIV positiv. Hinzu kam ihre Suchtkrankheit und eine psychogene Appetitstörung, die Annes Leben geprägt haben. Auch wenn heute ihre Viruslast unterhalb der Nachweisgrenze liegt, bleibt die Angst vor dem Sterben ihr ständiger Begleiter.

Anne bewohnt bei Lighthouse eines der insgesamt 16 Einzelappartments in einem grünen Hinterhof der Bonner Altstadt. Ausgestattet mit einer Küchenzeile können die Bewohner sich selbst versorgen, denn ihre Eigenständigkeit soll so lange wie möglich aufrechterhalten und unterstützt werden. Das ist angebracht, da die Bewohner von Lighthouse im Vergleich zu solchen in anderen Hospizeinrichtungen in Bonn relativ jung sind, im Schnitt Mitte 40. Oder konkreter: der jüngste Bewohner ist 21Jahre alt, die älteste, eine an Demenz erkrankte Frau, ist 82 Jahre. Dies zeigt auch die Bandbreite des Lebens hier.

Bonn Lighthouse: Anne

 

Mit dem Angebot des Betreuten Wohnens richtet sich Bonn Lighthouse besonders an chronisch kranke, sterbende Menschen, die z.B. ans HIV/AIDS, Krebs oder Multiple Sklerose leiden und nicht selten soziale Ausgrenzung erfahren haben. Betreut werden die Bewohner in ihrem Alltag von vier hauptamtlichen ausgebildeten Fachkräften und aktuell 35 ehrenamtlichen Mitarbeitern, ohne die die Arbeit von Bonn Lighthouse im stationären Betreuten Wohnen, aber auch außerhalb, in der ambulanten Betreuung, nicht möglich wäre.

„Das gemeinsame Mittagessen ist für mich sehr wichtig“, unterstreicht Anne. „Ich habe Probleme mit meinem Gewicht und schäme mich, dass ich so dünn bin. Deshalb freue ich mich, wenn etwas Leckeres gekocht wird.“ Jeden Werktag und mittlerweile auch oft an den Wochenenden kochen Ehrenamtliche in der Gemeinschaftsküche für alle Bewohner, die gemeinsam essen wollen. Und beim Essen gibt es auch immer wieder eine Gelegenheit zum Gespräch. Die Lebensmittel erhält Bonn Lighthouse übrigens überwiegend von der Bonner Tafel. Zunächst wird das Notwendige für die Gemeinschaftsküche verteilt. Was übrig bleibt, dürfen die Bewohner mitnehmen. Bei dieser Arbeit hat Anne früher immer gern mitgeholfen. „Aber man kommt in die Jahre“, sagt sie nachdenklich.

Zu ihren Mitbewohnern hat Anne einen recht guten Kontakt, es sind keine dicken Freunde, aber man kommt miteinander aus. Nach Annes bewegtem und zerrissenem Leben als drogengebrauchende Frau im Bonner Loch ist diese „Normalität“ etwas Besonderes.

Viele der Bewohner bei Lighthouse haben kein leichtes Leben gehabt, manche waren drogenabhängig, andere obdachlos, viele haben früh Gewalt erfahren. Manche, wie Anne, sind weiterhin suchtkrank, werden aber mit Polamidon oder Methadon substituiert. Gute Gesundheitsprognosen gibt es nicht. Da kann es schon mal zu Konflikten unter den Bewohnern kommen. Betreuung heißt dann auch: professionelles Streitschlichten.

Für Anne ist Bonn Lighthouse aber ihr Zuhause geworden. Vielleicht das erste überhaupt. Besonders wichtig für sie ist die psychosoziale Betreuung durch die hauptamtlichen Mitarbeiter und die Ehrenamtlichen.

Über das Sterben spricht Anne nicht gern. Sie hat so manche Nachbarin, so manchen Nachbarn schon gehen sehen. „Bei meiner Freundin Elke war in der Sterbephase rund um die Uhr immer jemand da.“ Das nimmt ihr ein Stück weit die Angst vor der letzten Einsamkeit. Zu dem jährlich stattfindenden Erinnerungsfest aber, an dem Bewohner, Mitarbeiter, aber auch Angehörige und Freunde an die Verstorbenen denken, geht Anne nicht. „Jeder hat seine Art, sich zu verabschieden“, ist ihr kurzer Kommentar.

Bonn Lighthouse: Sommerfest 2010

 

Anne denkt lieber an das Leben in Lighthouse. „Die haben hier meinen 50. Geburtstag gefeiert. Das war ein Fest!“ Oder auch das Sommerfest 2010, das kürzlich im Hof stattfand und vom Chor von St. Ägidien mitgestaltet wurde. „Der Dirigent hatte echt Pfeffer im Hintern“ grinst Anne verschmitzt. „Es ist toll, was die alles für uns tun, besonders auch die Ehrenamtlichen, das ist nicht selbstverständlich. Da muss man mal Danke sagen!“

Ein Gespräch von Anke Schmidt mit Anne im Juli 2010