Das sichere Gefühl, nicht allein zu sein

Bonner General-Anzeiger, 17.10.1998
Bonn Lighthouse betreut unheilbar Kranke - Vom großen Glück einer eigenen Wohnung

"Viele glauben immer noch, wir seien ein Lampengeschäft." Irmgard Wester, Gründerin von Bonn Lighthouse, ist immer wieder erstaunt, daß die Öffentlichkeit so schlecht über ihren Verein informiert ist. Seit dreieinhalb Jahren betreuen dessen Mitarbeiter in einem eigenen Haus und in den Unikliniken unheilbar erkrankte Menschen.

"Der Mann wußte, daß er nicht mehr lange zu leben hatte. Aber die Tatsache, daß er sich und allen anderen noch einmal zeigen konnte, daß er eine eigene Wohnung mit Möbeln von seinem eigenen Geld haben kann, hat ihn unendlich glücklich gemacht." Der Sozialpädagoge Jürgen Goldmann und seine Kollegen kennen die Hoffnungs- und Hilflosigkeit von Menschen, die von ihrem Arzt die aussichtslose Diagnose gehört haben.

Menschen mit Multipler Sklerose, Aidskranke oder HIV-Infizierte und Krebskranke will der Verein für ambulante und stationäre Hospizarbeit nicht länger ihrer Isolation überlassen, sondern ihre Situation ins Bewußtsein der Gesellschaft rücken. Mit gezielter Hilfe will der Verein unter der Schirmherrschaft von Norbert Blüm den Betroffenen, ihren Angehörigen und ihren Freunden die Diagnose so erträglich wie möglich machen. Deshalb hat der Verein sein Haus auch nicht am Rande der Stadt, sondern mitten in der Bonner Nordstadt an der Bornheimer Straße90. In dessen 17 Appartments leben Männer und Frauen in unterschiedlichen Stadien ihrer Erkrankung. "Akzeptiert" fühlt sich der Verein mit seinem betreuten Wohnen inzwischen von der Nachbarschaft. Sommer- und andere Feste haben dazu beigetragen, viel Argwohn und etliche Vorurteile abzubauen. Einzelne Nachbarn haben intensivere Kontakte, ansonsten sei das Verhältnis "normal" - wie anderswo unter Nachbarn eben auch.

Das Büro und der Gemeinschaftsraum sind im Erdgeschoß des Gebäudes vorne an der Straße. Im flachen, zweistöckigen Bau dahinter haben die Bewohner ihre eigenen vier Wände, jeder hat einen großen Wohnraum mit Küchenzeile und einem behindertengerechten Bad. Dorthin können sie sich zurückziehen oder im Gemeinschaftsraum die Gesellschaft anderer suchen. 41Menschen haben seit April 1995 in dem Haus an der Bornheimer Straße gewohnt. Von 20 bis 75 Jahre reicht derzeit die Altersspanne.

Pflege rund um die Uhr
"Die meisten unserer Klienten sind alleinstehend, zum größten Teil Sozialhilfeempfänger", berichtet Christiane Ohl, hauptamtliche Geschäftsführerin von Bonn Lighthouse. Noch einmal eine Gemeinschaft erleben, Nachbarn haben, aufgehoben sein - das wollen sie, Jürgen Goldmann und seine zwei Kollegen, viele ehrenamtliche Mitarbeiter und der fünfköpfige, ehrenamtliche Vereinsvorstand um Irmgard Wester ihnen ermöglichen. Ohl: "Sie sollen so lange und soweit es geht unabhängig sein und sich darauf verlassen können, daß sie Pflege und intensive Betreuung bekommen, wenn es soweit ist." Die Zusammenarbeit von Bonn Lighthouse mit der Sozialstation Humanitus garantiert Pflege rund um die Uhr, sieben Tage die Woche. Seit Anfang des Jahres bietet der Verein in Zusammenarbeit mit der Bonner Tafel auch ein Mittagessen an. Für die psychosoziale Betreuung der Bewohner wie auch für den Besuchsdienst auf der Station "Wunderlich" der Bonner Unikliniken, kann Bonn Lighthouse auf ehrenamtliche Mitarbeiter bauen. In einem Einführungskurs werden sie intensiv auf ihre schwierige Aufgabe vorbereitet, die oft in Sterbebegleitung mündet. Sie leisten das, was Ohl "Beziehungsarbeit" nennt: Kontakte von Mensch zu Mensch, indem sie den Betroffenen ein Ansprechpartner für den Austausch über ihre persönliche Situation und Perspektiven sind. Eine Notrufbereitschaft am Wochenende soll den Betreuten das sichere Gefühl vermitteln, nicht alleine zu sein. Auch deren Angehörigen sollen die Mitarbeiter ein Gesprächspartner sein, bis hin zur Trauerbegleitung nach dem Tod.

Verein zählt 134 Mitglieder
134 Mitglieder zählt Bonn Lighthouse derzeit. Sie entrichten Beiträge von monatlich zehn oder fünf Mark (Rentner und Studenten). Die meisten sind zwischen 30 und 50 Jahr alt. "Das typische Mitglied ist eine berufstätige, abgesicherte Person, tendentiell konservativ", sagt Christiane Ohl und schreibt das dem christlich-sozialen Hintergrund des Gründungskreises zu, der mehr Bürgerinitiative als Selbsthilfegruppe war. Über die Mitgliedsbeiträge hinaus finanziert sich der Verein von Spenden. "Die sind aber schwer zu kalkulieren", so Ohl. So ist es der große Wunsch des Vereins, daß sich Sponsoren finden, die für jeweils ein Jahr die Patenschaften über Appartements übernehmen. Ohl: "Die monatliche Differenz zwischen den Mietzuschüssen vom Sozialamt und den tatsächlichen Kosten liegen etwa bei 220Mark."

Und wenn Ehrenamtler und Hauptamtler einmal träumen dürfen, dann malen sich Wester, Ohl und Goldmann ein eigenes Haus aus, das Wohnungen, Büro und Gemeinschaftsräume unter einem Dach vereint. "Es müßte geräumig und rollstuhlgängig sein, einen großen Aufenthaltsraum haben und einen großen Garten", sagt Ohl. "Jede Mark, die wir nicht in die Miete stecken müssen, können wir an unsere Klienten und für ihre Betreuung weitergeben."

Bonn Lighthouse, Verein für ambulante und stationäre Hospizarbeit, hat seinen Sitz an der Bornheimer Straße90, 631304, Spendenkonto 4352555 bei der Sparkasse Bonn (BLZ 38050000).